Ecuador im Regenkleid
Eine Unterhaltung mit einem Reisenden in Chile, der die Panamerikana vom Norden nach Süden gefahren ist und somit auch schon in Ecuador war, macht uns stutzig. Das Fahren in Ecuador sei mit dem Auto sehr anstrengend gewesen. Auf die Nachfrage, wie er das meinte, sagte er: „Es gibt so viele Berge und Täler und nur Kurven!“ Als Motorradfahrer kann das einen ja nur recht sein. Sucht man sich doch immer Strecken aus, die abwechslungsreich sind. Und richtige Serpentinen hatten wir schon lange nicht mehr. Somit haben wir auch für dieses Land eine gewisse Vorfreude im Bauch, als wir die Grenze zwischen Peru und Ecuador, im kleinen Ort Macará, überschreiten. Schon ab dem ersten Kilometer werden wir diesbezüglich nicht enttäuscht. Gleich der erste Pass führt uns auf über 2000 m Höhe binnen kürzester Zeit. Und wir werden diese Höhe auch bis zu unserer Ausreise nicht wieder verlassen. Ecuador ist von der ersten Minute an, das Land, was uns landschaftlich total beeindruckt. Es ist das ganze Gegenteil von dem, was wir in den letzten Wochen gesehen haben.
Es stimmt, die Landschaft wird von vielen Bergen und Tälern bestimmt. Um von einem Ort in den nächsten Ort zu kommen, fährt man erst hoch hinaus und steil wieder hinab. Der Traum vom Motorradfahren! Das Einzige, was uns ab dem zweiten Tag begleitet und auch nicht von uns lässt, ist der Regen. Waren es noch am Tag der Einreise sonnige dreißig Grad sind es die folgenden Tage kühlere Temperaturen und immer wieder Regenschauer. Es lässt sich nicht ändern und wir müssen das Beste draus machen. Wir fahren wieder die Straße Panamerikana, die hier die Nummer E 35 trägt und mitten durch das Land von Süden nach Norden führt.
Wir besuchen zuerst kleinere Orte, wie Catacocha und Saraguro, die einfache Übernachtungsmöglichkeiten bieten. Sofort fällt uns auf, dass die Orte gepflegter sind. Es geht geordneter und sauberer zu und auch der Verkehr ist gemäßigter und entspannter, als in Peru. Ecuador ist auch in dieser Hinsicht für uns eine Erholung. Im kleinen Ort Saraguro legt man zudem noch viel Wert auf Traditionen. So sieht man einen großen Teil der Einwohner des Ortes in ihrer traditionellen Tracht gehen. Die Frauen tragen ein schwarzes Gewand mit filigraner Stickerei und den typischen schwarzen Hut. Bei den Männern fällt die dreiviertellange schwarze Hose auf. Auch sie tragen einen markanten Hut während ihres Alltages. Ein weiterer Höhepunkt des Ortes ist der am Sonntag stattfindende Markt, der über ein breites Angebot an verschiedenen Kartoffelsorten, Obst und Gemüse bietet. Eine Vielfalt, die wir in Deutschland nicht kennen.
Wo wir gerade beim Thema „Hut“ waren … wer kennt nicht den legendären Panamahut aus Ecuador? Auch wir besuchen die Stadt Cuenca mit ihrer weltbekannten Manufaktur. Die Stadt gefällt uns richtig gut. Es gibt viel zu sehen zwischen all den Kirchen und Kolonialbauten. In vielen kleinen Bars und Restaurants wird zum Verweilen eingeladen. Die Stadt wird von Touristen allzu gern besucht. Auch wir machen eine Stadtrundfahrt, um so viel wie möglich vom pulsierenden Leben in Cuenca mitzubekommen.
Die Straße Panamerikana in Ecuador bekommt weiter in Richtung Norden noch den Namen: „Straße der Vulkane“. Man bezeichnet damit die Andenkette von Cuenca nach Quito. Leider haben wir, durch die starke Bewölkung und dem Regen, nicht so viel davon gesehen. Teilweise können wir nur erahnen, wo die einzelnen Vulkane, wie zum Beispiel der Vulkan Chimborazo und der Vulkan Cotopaxi sind. Trotzdem besuchen wir noch den Ort Banos, der mit Heißen Quellen den Tourismus anlockt. Wir geben die Hoffnung nicht auf, hier mehr Glück zu haben. Doch der Vulkan Tungurahua bleibt für uns in den Wolken.
Es regnet immer wieder kräftig, sodass auch unsere spätere Abreise sich weit in den Vormittag zieht. Es geht für uns weiter in Richtung Norden an Quito vorbei. Unsere Reise bekommt einen weiteren Höhepunkt bei der Überquerung des Äquators. Wir befinden uns nun wieder auf der Nordhalbkugel und für unsere Familie ist das fast ein Meilenstein unserer Rückkehr.
Wir besuchen den Ort Otavalo mit dem Vulkan Imbabura. Das Wetter beruhigt sich etwas, sodass wir diesen Vulkan schon besser vor die Linse unserer Digitalkamera bekommen.
Otavalo lockt seine Gäste mit einem riesigen Markt am Samstag an. Hier kann man nach Herzenslust, Souvenirs, typische traditionelle Kleidung und Indianerschmuck kaufen. Selbstverständlich ist für das leibliche Wohl auch gesorgt. Wer sich vornimmt, nur einmal den Markt und dessen Nebengassen zu besuchen, aber nichts kaufen zu wollen, dem sei gesagt: „Vergiss es!“ Man kommt nicht drum herum, etwas für die Heimat mitzunehmen. Auch wir lassen uns mehrere Male überreden und werden nun jeden Tag an Otavalo denken, wenn wir unsere Taschen zusammenpacken müssen.
Nach einer kurzen, aber sehr intensiven Zeit, werden wir Ecuador wieder verlassen und nach Kolumbien einreisen. Kolumbien wird für uns das Land sein, welches richtungsweisend ist, denn hier entscheidet es sich, ob wir weiter nach Mittelamerika kommen oder nicht. Die Straße Panamerikana ist zwischen Kolumbien und Panama unterbrochen. Der sogenannte Tapón del Darién oder Darién Gap kann mit einer Fähre überwunden werden, wenn diese auch fährt. Das ist unsere einzige Möglichkeit. Auch mit dem Flugzeug ist eine Überwindung möglich, doch für uns leider finanziell nicht zu realisieren. Erst in Cartagena, im Nordwesten von Kolumbien, werden wir die Gewissheit haben, wie unsere Motorradtour weitergeht. Geht es weiter in Richtung Norden oder müssen wir wieder umdrehen?