Herzliches Kolumbien
Setzt man das Land Kolumbien immer nur mit den Wörtern „Drogen“ und „Bandenkriegen“ gleich, tut man dem Land unrecht. Zu diesem Schluss kamen viele Reisende, die uns begegneten, bevor wir nach Kolumbien eingereist sind. Wir sollen uns auf eine Herzlichkeit einstellen, die nicht in jedem Land so groß geschrieben wird, wie hier in Kolumbien. Wir lassen uns also überraschen und reisen mit einem guten Gefühl ein. Schon an der Grenze ist alles relativ entspannt. Wie überall braucht alles seine Zeit. Und mit einer Beharrlichkeit werden unsere Zolldokumente von der Dame an der „Aduana“, mit doppelter Kopie von allen verfügbaren Dokumenten, die wir haben, ausgefüllt. Sogar die Chassisnummern der Motorräder werden durch ein Abreiben mit Kohlepapier und späteren Aufdrucken auf durchsichtigem breiten Klebeband, für die Akte verewigt. Alles geht sehr harmonisch vonstatten und nach unseren gewohnten zwei Stunden an der Grenze, heißt es für uns „Benveniedos en Columbia“.
Für die ersten Kilometer ist Kolumbien landschaftlich die Fortsetzung von Ecuador. Es geht hinauf und wieder herunter, über Pässe, Berge und Täler, um kleinere und größere Orte zu erreichen. Nur die an allen Brücken und verkehrswichtigen Punkten stehenden bewaffneten Soldaten sind für unsere Augen ungewohnt. Auch die aus grünen Sandsäcken gebauten Unterstände kennen wir so nicht. Als jedoch die Soldaten anfangen freundlich zu grüßen und den Daumen heben als Signal „Alles in Ordnung!“ ist selbst diese Furcht verschwunden.
Unser erstes Tagesziel nach der Grenze ist die Stadt Pasto, die uns am Sonntag mit ungewohnt dichtem Verkehr überrascht. Von Ecuador noch verwöhnt sind es hier die vielen Mopedfahrer, die jede noch so kleine Lücke ausnutzen, um sich vorzudrängeln, und uns den Überblick rauben. Ein Ehepaar, auch auf einen Roller unterwegs, bekommt an einer Ampel mit, dass wir kaum wissen, wo es eigentlich zum Zentrum geht. Die Frage, wo wir herkommen, ist schnell geklärt und wir sollen ihnen einfach hinterherfahren. Sie lassen uns nicht mehr aus den Augen und selbst die Suche nach einer geeigneten Unterkunft für uns und den Motorrädern sollen wir ihnen überlassen. Sie suchen uns mit das beste Hotel der Stadt aus und verabschieden uns herzlich. Wir sind überrascht und sollen auch noch weiter das Gefühl an diesen Tag bekommen, wirklich willkommen zu sein. Der Sicherheitsbeauftragte des Hotels, überaus wissbegierig nach unserer Reise, sagt uns gleich, welche Straße wir bei Dunkelheit bitte nicht gehen sollen. Und ein Polizist auf der Straße, auch neugierig auf Fremde, lädt sich gleich mal selbst ein, mit uns einen Kaffee trinken zu gehen. Am Ende des Tages meinen wir auch, dass wir uns in Kolumbien bestimmt wohlfühlen werden.
Auf unseren Weg in Richtung Norden bleiben wir erst einmal auf bekannte Höhen um die 2000-2500m. Die stark befahrene, aber recht enge Straße Panamericana Nummer 25 fordert uns Kilometer um Kilometer. Durch die Berge sind Überholmanöver nicht ausgeschlossen. Auch das Thermometer erreicht wieder Werte um die 40 °C, die wir das letzte Mal in Brasilien hatten.
Kommt man dann, nach einem anstrengenden Tag, noch in eine größere Stadt zu Zeiten der Rushhour, heißt es noch einmal die Nerven zu bewahren. Man ist froh, wenn eine Unterkunft nicht ganz im Zentrum liegt und man den Zündschlüssel des Motorrades schon bald auf die Nullstellung drehen kann. So geht es uns in der Stadt Popayán, die wir für einige Tage besuchen. Das hektische Stadtleben können wir in Popayán nur einen Tag genießen. Dann werden unsere Pulsschläge in die Höhe getrieben und wir verfallen selbst in Hektik und Aufregung. Wir erfahren aus dem Internet, dass das Fährschiff, welches uns von Cartagena/Kolumbien nach Colón/Panama bringen sollte, nicht mehr fährt. Wir wollen es nicht wahr haben, dass damit unsere Reise nach Norden zu Ende ist und wir umdrehen müssen. Wir nutzen das recht gute Internet der Unterkunft, um auf Recherche zu gehen, was für uns noch möglich wäre. Eine Anfrage bei einem Transportunternehmen, welche die Motorräder per Luftfracht nach Panama bringt, zieht uns beim Preis fast die Schuhe aus. Knapp 2000 Dollar pro Motorrad ist finanziell nicht zu realisieren, wenn man bedenkt, selbst noch einen Flug für sich buchen zu müssen. Wir können die Frage, wie es weitergeht zu dieser Zeit noch nicht lösen.
Wir entscheiden uns aber, weiter in Richtung Norden zu fahren. Vielleicht ergibt sich noch etwas, was wir jetzt noch nicht abschätzen können. Wir lassen die Zeit für uns arbeiten. Mit sorgenvollen Kopf geht es nach Salento, ins Kaffeeanbaugebiet Kolumbiens. Durch einen Tipp unseres Freundes und selbst Motorradfahrers Paul besuchen wir das Plantation Haus. Eine Hosteria, welche von einem Engländer betrieben wird. Er selbst hat kleinere Kaffeeplantagen und mehrmals die Woche bietet er dort Kaffeetouren an. Wir sind restlos begeistert vom Ambiente der Unterkunft, die mitten im Grünen liegt. Wir haben somit auch Ruhe und Entspannung mitgebucht. Wir als die Kaffeegenießer schlechthin lassen uns natürlich so eine Kaffeetour nicht entgehen. Es ist interessant zu sehen, wie viel Arbeit eigentlich in so einer Tasse Kaffee steckt. Von den rohen getrockneten Kaffeebohnen, übers Rösten, bis hin zum Aufbrühen und Genießen vergehen doch eine ganze Zeit. Aber der spätere Genuss ist unbeschreiblich.
Das von Salento nicht weit entfernte Valle de Cocora, mit seinem reichen Bestand an Wachspalmen, lässt uns wieder den Rucksack packen und auf Wanderschaft gehen. Ein Tourismusmagnet ist das nicht so einfach zu erreichende Kolibrihaus. Mit Zuckerwasser werden hier die überaus flinken kleinen Vögel angelockt, um so besser auf ein Foto verewigt zu werden. Das schwierige Gehen an Seilen, teilweise über mehrere Hängebrücken und Baumstämme, wird aber belohnt. Am Ende des Tages haben wir zwar müde Knochen, aber dafür auch tolle Eindrücke.
Wir fahren weiter in Richtung Norden und wollten eigentlich die Millionenstadt Medellín umfahren. Leider hat das nicht so ganz funktioniert und wenige Zeit später sehen wir uns den dichten Verkehr und unglaublichen Lärm ausgesetzt. Wir geben der Stadt Medellín einen Tag später eine Chance, sich von einer besseren Seite zu zeigen, als nur kilometerlangen Staus, Hupen, Drängeln und den nicht einzuschätzenden Bussen mit ihrer Fahrweise. Es gelingt ihr, doch nach einem Tag haben wir wieder genug vom Großstadtgetümmel.
Es ist nun nicht mehr weit bis zur Küste Kolumbiens, um wieder Meeresluft zu schnuppern und Sonne zu tanken. Im Norden von Kolumbien gibt es wunderbare Strände am Karibischen Meer. Hier wollen wir etwas länger bleiben. Einen auf dieser Fahrt getroffenen Deutschen, mit einem Landrover unterwegs, macht uns Mut, trotz der Ungereimtheiten wegen der Überfahrt, weiter in Richtung Norden zu fahren. Es würde sich bestimmt im Hafen von Cartagena eine Möglichkeit auftun. Wir sollen nichts unversucht lassen. Dieser Meinung sind wir auch. Relativ entspannt genießen wir im Hotel O´zeano in Covenas eine wunderbare Zeit.
Die Eigentümerin Olga Zeano hat uns vom ersten Augenblick in ihr Herz geschlossen und verwöhnt uns mütterlich. Ein bisschen Pflege brauche ich persönlich auch. Bei einem übermutigen Badespaß – raus aus den heißen Motorradklamotten und rein ins kühlere Karibische Meer -, habe ich einen Sonnenbrand mit vielen Blasen. Das Tragen der Motorradjacke ist für einige Tage unmöglich. Für uns ist das Hotel eine Empfehlung für Reisende in dieser Gegend: Hotel O´zeano, Olga Zea, Covenas – Sucre Segunda Ensenada (Email: olgazea01@hotmail.com).
In Covenas gibt es neben Strand, Palmen, Meer und viel, viel Sonne, einen Mangrovenwald, den man mit einem kleinen Boot erkunden kann. Mag man es etwas schneller, kann man eine Bootsfahrt zu einer der Inseln der San Bernado Inselgruppe buchen. Auch wir düsen, im wahrsten Sinne des Wortes, zur Insel Múcura und verleben dort einen traumhaften Tag.
Nach einigen Tagen brechen wir auf zu unserem letzten Etappe in Kolumbien, nach Cartagena.
In Cartagena de Indias, wie die Stadt mit vollständigen Namen heißt, gibt es wirklich viel zu sehen. Die Stadt hat eine wunderschöne Altstadt mit vielen restaurierten Kolonialbauten. In ihnen befinden sich viele Boutiquen, Restaurants und Bars für den etwas größeren Geldbeutel. Auch zahlreiche Juweliergeschäfte buhlen um jeden Touristen. Wie wir das auch schon in anderen Städten erlebt haben, möchte jeder etwas vom großen Kuchen namens „Tourismus“ abbekommen. Die Altstadt wird begrenzt von einer begehbaren Stadtmauer, die wir ebenfalls unter die Füße nehmen.
Auch das Castillo de San Felipe de Barajas, eine der größten und wehrhaftesten Festung, die die Spanier außerhalb ihres Landes errichteten, besuchen wir.
Im Stadtteil Bacogrande entsteht ein anderes Bild von Cartagena de Indias. Ein Wolkenkratzer nach dem anderen schießt in die Höhe und der Erwerb einer Wohnung oder Appartements garantiert einen genialen Blick auf das Karibische Meer.
Cartagena de Indias ist für uns, auf unserer Reise, der nördlichste Punkt von Kolumbien und von Südamerika. Wie wir unsere Reise fortsetzen, erfahrt ihr in unserem nächsten Bericht.